KI in der Arzneimittelzulassung

KI in der Arzneimittelzulassung – Fortschritt oder fahrlässiger Vertrauensvorschuss?

Manchmal fühlt es sich an, als würde sich die Zukunft schleichend, fast unbemerkt, in unser Leben drängen – und dann gibt es Momente, in denen sie ganz direkt anklopft. Einer dieser Momente ist jetzt. Die Gespräche zwischen OpenAI und der US-Arzneimittelbehörde FDA über den Einsatz von KI in der Arzneimittelzulassung könnten sich als tiefgreifender Wendepunkt für das Gesundheitssystem herausstellen. Die Frage ist nur: Sind wir wirklich bereit dafür?

Ein mühsamer Prozess mit viel Verbesserungspotenzial

Die Entwicklung und Zulassung neuer Medikamente ist derzeit ein Kraftakt. Die Prüfverfahren dauern Jahre, kosten Milliarden und verlangen von Patientinnen, Wissenschaftlerinnen und Behörden gleichermaßen Geduld. Die Vision, dass KI diesen Ablauf beschleunigen, strukturieren und entlasten kann, klingt verlockend. Systeme wie das angedachte „cderGPT“ sollen helfen, Studienergebnisse, Literatur und Sicherheitsdaten automatisch zu analysieren und auszuwerten. Eine beeindruckende Vorstellung – aber nicht ohne Fallstricke.

Was cderGPT leisten soll – und was nicht

Wichtig ist: cderGPT soll nicht den Menschen ersetzen. Es geht um eine Entlastung in der Voranalyse, bei Routinetätigkeiten und bei der Sichtung riesiger Datenmengen. Die menschliche Expertise bleibt der entscheidende Faktor. Und das ist auch gut so. Denn gerade in der medizinischen Zulassung geht es nicht nur um Logik, sondern auch um ethische Entscheidungen, um Einzelfälle, um Grauzonen.

Doch selbst kleine Beschleunigungen im Prüfprozess könnten laut ehemaligen FDA-Verantwortlichen Leben retten – denn jedes Medikament, das schneller zugelassen wird, bedeutet schnellerer Zugang für Patienten.

Persönlicher Einblick: Warum wir in Deutschland (noch) nicht so weit sind

Ich arbeite selbst im deutschen Gesundheitswesen – und wenn ich ehrlich bin: Solche Ansätze wie cderGPT sind bei uns momentan undenkbar. Nicht, weil es an Ideen oder Potenzial fehlen würde. Sondern weil unsere Regulierungen extrem streng sind, was grundsätzlich gut und nachvollziehbar ist – aber eben auch lähmend sein kann, wenn es um innovative Technologien geht.

Während wir hierzulande auf bürokratische Sicherheit setzen, sind es wieder einmal die Amerikaner, die mutig vorangehen. Sie nehmen Risiken in Kauf, setzen auf Pilotprojekte und schaffen neue Standards, während wir zusehen – oder zögern. Es fühlt sich ein bisschen an wie schon so oft: Sie erproben, wir prüfen. Sie gehen voran, wir verwalten.

Vertrauen ist gut – Kontrolle ist essenziell

Bei aller Begeisterung für den technologischen Fortschritt darf eines nicht vergessen werden: Verantwortung. KI ist nur so gut wie ihre Trainingsdaten. Wenn die Basis verzerrt oder lückenhaft ist, sind es auch die Empfehlungen. Genau hier liegt die Gefahr der Automatisierung: Sie erzeugt Geschwindigkeit, aber nicht unbedingt Verständnis.

Zudem stehen Regulierungsbehörden wie die FDA unter Druck: Sie müssen Entscheidungen nachvollziehbar kommunizieren. Eine „Black Box“-KI, die Ergebnisse liefert, ohne ihre Herleitung offenzulegen, widerspricht diesem Anspruch. Transparenz muss oberstes Gebot sein – nicht nur technisch, sondern auch gesellschaftlich.

Was bedeutet das für uns als Patienten?

Wenn KI ihren Platz im Zulassungsprozess findet – verantwortungsvoll und kontrolliert – kann das einen echten Fortschritt bedeuten. Medikamente könnten schneller verfügbar sein, gerade in Krisenzeiten oder bei seltenen Krankheiten. Und vielleicht wird es dann nicht nur ein „schneller“, sondern auch ein „besser“ geben – besser auf Basis vernetzter Informationen, genauer in der Risikoabschätzung, feiner im Erkennen von Nebenwirkungen.

Aber all das funktioniert nur, wenn das Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine gelingt. Wenn Ethik, Aufklärung und Technologie Hand in Hand gehen.

Fazit: Große Chancen, aber kein Selbstläufer

KI in der Arzneimittelzulassung ist kein einfacher Hype, sondern eine reale Möglichkeit, Gesundheitsprozesse zu revolutionieren. Doch eine Revolution braucht Struktur, Vertrauen und Sicherheitsnetze. Ohne das könnten wir schneller sein – aber nicht unbedingt sicherer. Deshalb sollten Projekte wie cderGPT mit wachem Blick, klaren Regeln und viel Verantwortungsbewusstsein begleitet werden.

Und vielleicht wäre es an der Zeit, dass auch wir in Deutschland mutiger nach vorn denken. Nicht alles übernehmen – aber zumindest ausprobieren. Denn Fortschritt beginnt nicht mit Genehmigungen, sondern mit Haltung.

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